MONDMÄRCHEN        

 


DIE SCHWESTERN, DIE AUF DEM MONDSTRAHL TANZEN


Es war zu der Zeit als die Wüste noch grün war und die Sonne noch gerecht.

Die Mädchen des Stammes der Koim waren ebenso schön wie die Rosen, die sie in den Gärten ihrer Väter pflegten. Von weither kamen die Fürsten und warben um die Mädchen der Koim. Die Kamele der Brautwerber waren mit wundervollen Schätzen beladen und sie trieben Herden der wertvollsten Kamele als Brautgeschenke in ihren Karawanen. Die Koim wählten mit Sorgfalt die Männer für ihre Töchter, denn eine Koim-Frau war eine stolze Frau.


In einem Jahr in dem die Rosen besonders prachtvoll blühten kam ein alter Fürst um für seinen Sohn eine Frau zu wählen. Er hörte von den Töchtern der Witwe Uovia, deren Gatte gefallen war als die Krieger der Koim ausgezogen waren um die Feinde von den Weiden der Kamele zu vertreiben.


Uovia hatte zwei Töchter. Die Ältere hieß Sheeva, die Jüngere Shu´una. So bat die Witwe den Fürsten unter ihren Töchtern zu wählen und seine Wahl fiel aus Sheeva. Doch diese weigerte sich ohne ihre jüngere Schwester ihre Heimat zu verlassen. Da entschied der alte Fürst, dass er beide Schwestern mit sich nehmen wollte. Die eine würde Herrin, die andere Dienerin sein.


Um die Mutter vor Armut und Schande zu bewahren stimmten die Schwestern zu. Doch sie banden ihre Schleier hoch und da die Augen der einen wie die Augen der anderen waren wusste der alte Fürst nie, welche von ihnen die Herrin und welche die Dienerin war.


Sheeva und Shu´una sprachen jede Nacht mit dem Mond. Sie baten die schmale Sichel um Rat und Hilfe. Und so wie der Mond wuchs so wuchs auch das Vertrauen der Schwestern.


Als sich die Karawane den Zelten des alten Fürsten näherten stürmte ihnen eine Horde wilder Krieger auf prachtvollen Rennkamelen entgegen. Der Anführer war ein großer, stolzer Mann auf einem wilden weißen Kamel. Er bot sein Gesicht unverschleiert der Sonne.


„Mein Sohn,“ sagte der alte Fürst, „ich habe dir die Frau, die du wolltest, mitgebracht. Und ihre Schwester als Dienerin. Doch unterscheiden musst du sie selbst, denn mein Auge ist müde geworden!“


Da lachte der Kriegerprinz und sagte: „Ich werde sie Beide nehmen, dann können sie abwechseln Herrin und Dienerin sein!“


Sheeva und Shu´una wurden bleich unter ihren Schleiern, denn sie hatten die Farben des Kriegers erkannt. Sie wussten nun, dass die Koim getäuscht worden waren. Es war dieser Kriegerprinz gewesen, der mit seinen Horden die Kamele der Koim geraubt und die Männer der Koim getötet hatte.


Zitternd erwarteten die Schwestern in dem prachtvollen Zelt in das man sie gebracht hatte die Nacht. Sie lächelten nicht mehr unter ihren Schleiern. Doch als der Mond begann den Himmel zu erklettern traten sie vor das Zelt. Sie hatten keine Furcht vor den Wächtern die am Feuer saßen. Voll Vertrauen sie sahen hinauf in den dunklen Himmel und sangen dem Mond ihre Klage.


Als der Mond das Leid der Schwestern vernahm war er erzürnt. Er verstärkte sein Licht, sodaß die Krieger und Wachen gelähmt zu Boden sanken. Dann hüllte er sich in eine dunkle Wolke und kein menschliches Auge sah, wie die Schwestern aus dem Lager liefen.


Sheeva und Shu´una liefen hinaus in die Wüste, die damals noch grün war. Sie hoben ihre Arme dem Mond entgegen und er befreite sich von den Wolken, die ihn verhüllten. Sein silbernes Licht wob eine Treppe auf der die Schwestern sicheren Stand fanden. Und sie lösten ihre Schleier und sangen und tanzten zur Ehre und Freude des Mondes. Sicher trug der Mondstrahl sie hinweg bis nach Koim.


Doch nun sorgten sich die Schwestern um die Stadt ihrer Väter, denn sie fürchteten die Rache des Kriegerprinzen. Und wieder sangen sie ihre Not für den Mond.


Da sagte dieser: „Ihr seid meine Kinder und dies ist meine Stadt. Ich werde euch schützen!“


Wieder tanzten die Schwestern voll Dankbarkeit auf den Mondstrahlen. Der Mond erfreute sich an ihnen und goß sein Silber über die Rosen der schlafenden Stadt. Dankbar und voll Vertrauen verließen Sheeva und Shu´una den Mondstrahl. Sie eilten in das Haus ihrer Mutter. Zum Abschied streute der Mond sein Silber über ihre Schleier.


Der Mond aber sah sich um nach seiner Schwester, der Sonne, und sagte: „Verbrenne jene, die meine Stadt angreifen und meine Töchter verfolgen. Und mein Tau wird die Wunden nicht lindern, die du gebrannt hast!“


Die Sonne tat worum ihr Bruder, der Mond, sie gebeten hatte. Sie dörrte das grüne Land aus, trank alles Wasser und verbrannte alles Leben. Nur die Brunnen in Koim sprudelten weiter und der Tau netzte die Rosen.


Heute noch kannst du, wenn des Tages Hitze der Kühle der Nacht gewichen ist und der Mond den Himmel erklettert, Sheeva und Shu´una auf den Mondstrahlen tanzen sehen.

 

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